Endlich, endlich geht auf der Baustelle wieder etwas weiter.
Es gibt diesen Spruch, wie wir Menschen sind. Wir planen. Und entscheiden. Entwickeln Ziele und brechen die auf irgendwelche Zwischenziele herunter. Idealerweise geradlinig. Dann entpuppt sich der Prozess als chaotisch, bestenfalls spiralig. Und irgendwo fällt eine Göttin, ein Gott lachend vom Sessel, weil solche Wesen sie lieben, die täglichen Dramen. Tapsig wie Babies stolpern wir direkt in unsere eigenen Fallen. There’s a crack, a crack in everything, that’s where the light shines in… Diese Woche sitze ich im Rahmen eines Miniworkshops am Fluss. Die uralten Steine murmeln, das Wasser rauscht an mir vorbei. Es kommt tief aus der Erde, wirft sich über die Steine herunter ins Tal. Bevor es nach oben verdunstet und wieder zurück fällt auf diesen Planeten. Es fragt nicht, warum. Es fragt nicht, wie. Mir, dem Menschen, tut dieses Loslassen tut. Leeeeeet go, murmeln die aneinander reibenden Steine in den kleinen Wasserturbulenzen. Es ist eine meiner schwersten und leichtesten Übungen in diesem Leben. Offen sein, ohne schon einen Schritt voraus zu planen. Erfahrungen wirken lassen, tief in jede Zelle. Planen und mir bewusst zu sein, dass sich der Weg jederzeit minimal ändern und eine neue, kraftvollere Richtung bekommen kann. Aufrichtig zuhören. Den Menschen genauso wie Mutter Erde und ihren Bewohnern. Einfach da sein.

Ich lege in diesem unglaublichen Jahr 2021 einen weiteren Fotoordner am PC an. „Zirkuswagen“ steht da. Und „Bodenplatte“ und „Wände“ und „Fenster“ und irgendwann dann auch „Dach“, „Transport“ und „Ankommen“. So wie beim ersten Tinyhouse. Das Wetter hat ein Einsehen. Die Nächte sind ganz schön kühl. Tagsüber wärmt sich die Luft auf unglaubliche sechsundzwanzig Grad auf. Eineinhalb Stunden fehlen uns bereits, was das Tageslicht betrifft. Der Herbst ist sowas von da.

Die Bodenplatte meines Zirkuswagens hat Form angenommen. Dank der geschickten Hände meines Liebsten und meines ältesten Sohnes. Dank Helfern. Es hat etwas absolut magisches, wenn du als zukünftige Bewohnerin in den Prozess hineingeholt wirst. Weil du mitentscheidest, wo später die wunderschönen Fenster hinkommen sollen. Die Lichtleiste für das Licht von oben. Wo ungefähr die Trocken-Trenn-Toilette mit Lüftung hin soll. Unauffällig und effektiv. Wo die Garderobe für die Kleidung. Wie breit dein Bett sein wird, wie hoch. Und was das für Auswirkungen auf die Anordnung des seitlichen Fensters hat. Das tiefe Waschbecken für meine Färbe- und Teeküche, wo gehört das idealerweise hin? Und wo um Himmels Willen der Balken für den Hängesessel meiner Miniterrasse beim blumengeschmückten Eingang, den ich schon förmlich riechen kann? Herzklopfen. Ungeduld und überschäumende Freude beim Bau dieses Objektes. Dieses Mal ist viel Vorfreude da. Nicht dieses distanzierte Gefühl, mich in einem Youtube Tutorial zu bewegen, das ich mir nur anschaue. Die Männer scherzen und lachen, weil gewisse Handgriffe vertraut sind. Und sie sich zurecht viel mehr zutrauen als im ersten Durchgang des Bauens. Vielleicht auch, weil sich dieses Mal mehr interessierte Menschen melden, die mitbauen wollen. Learning by doing.

Kommende Woche werden wir wohl mehr mit der Welt der Harleyfahrer zu tun haben als mit dem Zirkuswagenbau. Es ist, wie es ist. Wir befinden uns am Rande der lauten Show und sind doch ein bisschen drin. Die Küche stellt sich auf die Ritterinnen und Ritter der Edelkarossen um. Der (Vor)Garten wird ein vorübergehender Parkplatz für Gäste und Besucher. Meine Ohropax liegen bereit, falls die Nächte echt so befahren sind wie erwartet. Alle hier sagen, wir erleben die Ruhe vorm Sturm. Das Knattern der Motoren wird stündlich mehr. Die Wetterprognosen sind prachtvoll. Leeeet go. Ich freue mich drauf, ein bissel glänzendes Steelpunk der Motoren zu fotografieren und möglicherweise in eine Parallelwelt einzutauchen, die ich nicht so gut kenne.

Jung-Kater Leo ist übrigens der Grund, warum unsere Minnie, seine Mama, kaum mehr auftaucht. Er scheucht sie quer über den Platz. Und wir staunen, wie schnell er vergessen hat, wer ihn monatelang versorgte, gut behandelte und viel zu lange trinken ließ. Wir haben richtig gut damit zu tun, ihm seine territorialen Machismen auszureden. Derzeit nutzt es nur, bei den Fressnäpfen zu bleiben, wenn beide da sind. Damit Minnie auch versorgt wird. Da sie nicht zu dünn ist vermuten wir, dass sie sich in der Siedlung weitere Fressplätze gesucht hat. Außerdem ist sie eine gute Mäusejägerin.

Vor fünf Wochen sind wir mit Haus und Bus, Atelier und Nötigstem, Kind und Katzen hier eingezogen. Es war eine dieser „Springen! Und los!“-Entscheidungen. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, es hat noch keinen Tag gegeben, an dem ich diese Entscheidung bereut habe. Ganz im Gegenteil. Ich bekomme Herzklopfen, wenn ich mich diesem alten Hotel nähere. Es zieht mich „nach Hause“, wenn wir in der Umgebung unterwegs sind. Es ist aufregend, mit den Menschen der bestehenden Gemeinschaft auf einer tieferen Ebene näher zusammen zu rücken. Genauso finde ich es fein, Menschen für wenige Stunden kennen zu lernen, wenn sie via App für eine Übernachtung am Parkplatz landen. Oder wenn wir uns ein paar Tage oder ein paar Wochen intensiver begegnen, wenn sie hier ein Volontariat machen. Und ich freue mich so über die vielen Besucher*innen, Interessierten und Fragenden. Immer noch werden wir viel und gern zum Bau des Tinyhouses befragt. Sami taucht immer wieder mitten in einer Horde von Kindern auf. Egal ob am Lagerfeuer, im Teich oder quer durch das Hotel. Wie schön das ist. Ich lebe mitten in einem Traum, den ich mir vor zwanzig Jahren von der Seele geschrieben habe. Der es nicht zum geplanten Buch bringen wird. Meine herausragendste Kunst ist die Kunst, dieses Leben gut zu leben. Ein einfaches, gutes Leben, das von meinen Träumen und von meinem Herzklopfen ganz wunderbar dirigiert wird.
