Vom Messen, Nachmessen und Wieder-Nach-Messen

Die erste Bauwoche geht zu Ende. Ich sage es ehrlich. Ich habe es noch nicht verinnerlicht. Meine Seele hinkt der Realität hinterher.

Mein Hirn fühlt sich wattig an, benebelt. Ich rette mich mit täglichem, zuverlässigen Kochdienst an der Männer-Gruppe in eine neue Alltagsroutine. Ich, die wenig Kochbegeisterte, ich kann es noch. Mein ältester Sohn ist angereist, um mit uns gemeinsam zu lernen, wie man ein mobiles Tiny House und einen Zirkuswagen baut. Er schläft und lebt nun in meinem alten Wohnwagen. Und liebt es. Wie gut, dass er noch an seinem Platz steht. Unfassbar ist das flotte Geistes- und Körpertempo eines Dreißigjährigen. Er hat geniale Ideen für Tiny House Projekte. Stürzt sich begeistert in die Herausforderungen. Zeigt uns Tutorials aus dem englischsprachigen Raum, die wir noch nicht kennen. Für mich ist es eine Freude, dass er da ist. Die meisten Tiny House Bauer, denen ich auf diversen Kanälen folge, sind jung und lassen sich von ihren Vätern helfen. Wir sind mindestens mittelalt. Und mein Sohn ist der beste Anpacker und Mitdenker, den wir uns wünschen konnten. Mit Alexander’s Erfahrung entsteht hier eine Form der Bauschule, wie wir sie uns immer wünschten. Ich persönlich merke, dass ich mich jung fühle. Im Alltag, du weißt schon. Beim Spazierengehen, denkend unterwegs, im Atelier. Vor allem im Atelier. Auf der Baustelle und mit diesen völlig neuen Lebensbedingungen spüre ich zum ersten Mal eine gewisse ängstliche Starre. Zwischendurch frage ich mich, ob ich das bin, die anpackt. Die fotografiert und filmt. Oder ob ich das Leben einer anderen in einem der Tutorials sehe, die wir uns seit November letzten Jahres täglich zu Lernzwecken hineingezogen haben. Wir haben wirklich, wirklich begonnen. Die Bilder fangen an, sich zu überschneiden. Die realen und die gesehenen.

Auf der Suche nach den geradesten Hölzern

Der Poly-XY-Irgendwas-Kleber hält, was die Bedienungsanleitung verspricht. Gummimatten mit der Handkreissäge zu schneiden stinkt mehr als erwartet. Funktioniert aber tatsächlich bestens. Die Bahnen mit der Tapetenschere zu kürzen ist möglich. Verursacht allerdings böse Reibblasen an den Fingern einer Textilerin. Die Bauholzbestellung ist trotz Unkenrufen vorzeitig eingetroffen, bereits beim Baumarkt der Wahl abgeholt und trocken gelagert. Es wird gemessen. Nachgemessen. Und noch einmal gemessen. Wir sind alle hochgradig angespannt, um jetzt bei Baubeginn keine groben Fehler zu machen. All die besonderen Schrauben, Werkzeuge und Isoliermaterialien sind bestellt, Alexander hat unglaublich gut voraus geplant. Morgen streichen wir die untere Bodenplatte mit Leinöl, um das Holz vor Wasser und Feuchtigkeit von unten zu schützen. Die monströsen Bügelschrauben, für die sich mein Planungs-Experte entschieden hat, um die Bodenplatte mit dem Trailer zu verbinden, gehören für mich zum ersten wichtigen Bauabschnitt. Dann kommt die Dichtung in den Boden, die zweite Platte wird in drei Teilen vermessen, geschnitten und verschraubt und die Unterkonstruktion fürs Tiny House ist fertig. Von den Holzständerwänden mit den Auslassungen für die Fenster träume ich schon. Unruhig. Ich bin gespannt, wie all die Planung und Zeichnung in der Realität aussieht, wie sie sich anfühlen und riechen wird.

Immer wieder schaut der Vermieter der Halle zu. Interessierte und skeptische Zaungäste tauchen auf. Ob wir einen Wohnwagen aus Holz bauen?! Schräge Blicke. Ein weiterer Blick über die Schulter. Der Vermieter, ein Tausendsassa mit der Materie Metall, hätte Ideen, wie man das mit dem Anhänger und der Bodenplatte noch viel effizienter lösen könnte. Wer weiß, vielleicht inspirieren wir Menschen mit unserer Bautätigkeit zu völlig neuen Projekten. Und wer weiß außerdem – vielleicht kann ein Metallexperte andere, klügere Lösungen finden und genau diese Idee findet demnächst Einzug in die DIY-Bauforen.

Schwarz ist der Kleber, schwarz ist die Unterlage für die Holzbalken

Apropos monströs: es ist nicht so, dass ich keine Ahnung von Holzarbeiten habe. Ich kann mit Akkubohrern, Winkelschleifern und derlei Geräten genauso gut umgehen wie jeder andere Mensch, der eingelernt wird. Nur die riesigen Schrauben, die die voluminösen Holzbalken verbinden, sind mehr als ungewohnt. Wie immer ist es für mich am schlauesten, wenn ich selbst tue. Irgendwann atme ich auch wieder aus und spüre, dass ich lebe. Da ist viel Angst und Unsicherheit, etwas falsch zu machen. Die Männer sind entspannter als ich. Beim Strohballenhausbau mit den vielen abgenähten Rundungen um Fenster- und Türstöcke war ich mehr zu Hause.

Die Wasserwaage, unser ständiger Begleiter

Unsere Halle ist winddicht. Wenn auch nicht ganz wasserdicht, es tropft an einigen Stellen herein. Es war die richtige Entscheidung, die Baustelle von draußen nach innen zu bewegen. Hier in Mittelkärnten, im Süden Österreichs, regnet es täglich. Zwischendurch stürmt böiger und verspäteter Aprilwind durch den Mai, auf den Bergen liegen immer noch Schneereste und lösen Turbulenzen aus. Der Wetterbericht sagt wenig Trockenheit voraus. Es ist ein kurzer, intensiver Frühling da draußen. Alles blüht, wird wie wild bestäubt und setzt sofort Frucht an. Meine geliebten Iris blühen direkt über der Erde, sie schaffen es gar nicht, lange Stängel aus der Erde zu schieben. Nur die Ameisen schieben eine ruhige Kugel. Die Waldameisen bahnen sich fast wie im Vorjahr einen Weg über meinen Holzständerbau und das Dach durch das Atelier. Es sind nicht mehr so viele. Die paar Mutigen lassen sich allerdings auch heuer nicht beirren, dass mein Atelier auf ihrem angestammten Weg liegt. In ein paar Wochen ist dieser Spuk vorbei.

… aber so funktionierts!

Heute Nachmittag lassen wir es ruhig angehen. Draußen haben sich schwarze Wolken aufgetürmt, der Wind bläst ums Haus – die Eisheiligen bringen keine Eiseskälte mehr, sondern das heuer das so dringend benötigte Oberflächenwasser für die durstigen Böden. Dass in ein bisschen mehr als einem Monat schon Sommersonnenwende ist, kann ich kaum glauben. Ich bin gespannt, wann sich die Wärme durchsetzt.

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