Transition Town Friesach. Friesach im Wandel. Klingt gut, oder? Was man drunter versteht? Das ist so wie mit dem Begriff „Permakultur“. Jeder erklärt das aus seiner Logik, aus seiner Erfahrung. Die Transitionbewegung gibt es schon eine Weile. Ich füge jenen unter euch hier einen link der Transition Austria Hub ein, falls ihr tiefer forschen wollt. Für euch andere: für mich sind es erlebbare Wandelstrukturen. Ursprünglich ging es stark um den Oil Peak und die Resilienz von Städten für eine Zeit nach der Nutzung von Öl. Das Ganze bottom up, also von unten nach oben, was das gesellschaftliche Gefüge betrifft. Für mich sind es heute Gruppen von Menschen, die nicht an den Auswirkungen scheinbarer Handlungsunfähigkeit politischer und wirtschaftlicher Systeme verzweifeln. Stark vereinfacht ausgedrückt. Menschen, die dieser mittlerweise sicht- und spürbaren Hoffnungslosigkeit sinnvolles Tun entgegen setzen. Liebevolles und konfliktbereites Auseinandersetzen mit dem Anderen, auch jenen am Rande der Gesellschaft. Zivilgesellschaft in ihrer logischen, regionalen Notwendigkeit dörflicher und kleinstädtischer Strukturen. Nicht (partei)politisch. Sondern politisch im Sinne des Wortes. Also der Regelung der Angelegenheiten eines Gemeinwesens durch verbindliche Entscheidungen. Wo mensch sich noch kennt. Generationsübergreifend. Jeder einen Platz in der Gemeinschaft findet, seine Wirkmächtigkeit erlebt. In Friesach ist es ein unglaublich großes Team Ehrenamtlicher, das seit drei Jahren einen essbaren Hang, Gemeinschaftsgärten, Wandelbienen, Lebensmittelrettung und einen Kost-Nix-Laden am Leben und in Bewegung halten. Seit vier Monaten gibt es auch eine Nähgruppe.

Ich fahre heute mit meinen üblichen vorauseilenden Erwartungen zum vierten Treffen in diesem Jahr. Was soll ich machen, so bin ich. Ich habe heute zum ersten Mal Zeit für die Nähgruppe. Ich rechne mit drei oder vier Frauen. Frage mich, was ich gern einbringen würde. Und stapfe durch den frischen Schnee ins Jugendzentrum „Kistl“. Gleich beim Eingang begeistert mich eine Scheibtruhe (Schubkarre, ihr lieben Mitlesenden aus nördlich von Österreich) mit einem bunten Häkelüberzug. Drinnen wuselt es. Durchzählen kann ich gar nicht, so sehr bin ich damit beschäftigt, Hände zu schütteln, freundliche Nachfragen zu beantworten und mich vorzustellen. Bekannte Gesichter. Fremde Gesichter. Bis auf zwei Jugendliche, die miteinander ein Computerspiel spielen, sind es ausschließlich Frauen. Pfoah, ein Raum ist voll mit mitgebrachten Maschinen und arbeitenden Menschen. Im zweiten Raum wird am Billardtisch im großen Stil zugeschnitten und überlegt. Riesige Taschen in den Maßen eines schwedischen Möbelhauses für den Kost-Nix-Laden sind eine mögliche Vorgabe. Kleine Taschen aus alten Jeans werden bereits genäht. Ein sechsjähriges Mädchen ist mit seiner Mama feuereifrig dabei, eine eigene Tasche zu nähen.

Ich habe Nähmaschinen im Auto, die wir dieser Gruppe zur Verfügung stellen. Mehr oder weniger hochwertige Haushaltsnähmaschinen, die sich seit 2015 bei uns ansammelten und jahrelang wertvolle Dienste in unseren gemischtsprachigen Gruppen leisteten. Draußen im Zuschneidebereich türmen sich Kuchen und Kekse auf der Theke. Kaffee duftet vor sich hin. Ich freue mich so, endlich Marianne kenne zu lernen, die Leiterin des Jugendzentrum’s. Und Edith ist da, die Lehrerin, die 2020 mit mir und den Kindern einer Volksschulklasse ein Transitionmärchen zur Aufführung bringen wird. Sie ist eine Meisterin an der Nähmaschine, im Zuschnitt und im räumlichen Denken. Da werde ich sofort und bereitwillig zur Schülerin. Sladana ist da, die gute Seele hinter dieser Bewegung in der Burgenstadt. Sie kümmert sich um die Menschen und koordiniert Abläufe. Und schon bin ich mitten drin. Schneide zu. Nähe. Bringe mich ein. Taschen nähen habe ich in den letzen Jahren autodidaktisch gelernt. Ich beherrsche sogar den Umkrempeltrick. Wir witzeln über Perfektionismus. Über Ängste und Fortschritte. Unterhalten uns über eine alte Bernina, die seit über 30 Jahren vor sich hin schnurrt, während Maschinen von großen Diskontern schon nach eineinhalb Jahren irreparabler Sondermüll sind. Eine meiner beiden Maschinen streikt, als ich den Retourgang einlege. Marianne beruhigt mich. Ein Experte sieht sich das nächste Woche an. Vielleicht reicht es ja, die alte, gute Maschine zu zerlegen, zu ölen und ihr liebevoll zuzureden. Einige Damen entdecken wohl zum ersten Mal die Lust am Upcycling und am Re-Use, am Auftrennen und Neuzusammensetzen. Pläne werden geschmiedet. Tipps und Ratschläge sausen hin und her.

Und ich? Normalerweise fremdle ich in mir unbekannten Gruppen. Das kann ich richtig gut. Doch hier bin ich sofort zu Hause. Und ich weiß jetzt, wohin mit den wunderschönen schweren Stoffen, den kostbaren Accessoires, die sich bei uns ansammelten. Hier werden die Dinge, eines nach dem anderen, endlich wieder gebraucht und können in ihr zweites Leben abbiegen. Und ja, es ist noch Platz für Mittäter*innen!
