Weibliches und Handwerk

Immer wieder werde ich gefragt, warum ich Puppen  forme und anfertige. Und gestern fragt mich eine weitere Frau, ob ich bereit wäre, bei ihr am Lama-Hof Puppenmacherkurse anzubieten. Jaaa, ich habe riesengroße Lust! Ich verstehe selbst noch nicht so recht, was meine Absicht hinter all dem ist. Tu mir unendlich schwer, mit Worten zu beschreiben, was ich empfinde. Also wird es wohl Zeit, sie zu suchen…

Ganz ehrlich: der Verkauf interessiert mich langfristig insofern, als ich Material und Maschinen für mich und andere benötige, um zu kreativ zu arbeiten. Ich will keine Fabrik in einem Billiglohnland beauftragen, meine Wesen billig herzustellen und mich als Chefin dieser Fabrik zu fühlen. Das ist kein Ziel für mich. Ich kriege Bauchweh und Beklemmung, wenn jemand eine bestimmte Stoffpuppe von mir nachgemacht haben möchte. Es geht einfach nicht, diese Wesen entstehen aus mir und meinen Begegnungen heraus. Ich leihe ihnen meine Hände und erschaffe sie nach einer Idee, die zur Welt kommen will. Jede Stoffpuppe wird ein bisschen anders. Und, wie war das, „Unternehmer sein, um mir einen wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen“.  Sorry, tut mir leid. Das passt nicht zu mir.

Ich habe eine lange Geschichte mit den Puppen. Die kann man hier am Blog nachlesen. Kurz gesagt: ich wollte das eh schon immer und habe ein paar Jahrzehnte gebraucht, es zu tun. Ich bin nach wie vor am Lernen und am Verbessern, am Ausprobieren und weiter entwickeln. Ewig dankbar werde ich meinem Mann und guten Freunden sein, die mich bestärkten und unterstützten, das Neue trotz meines Alters anzufangen. Heute schaue ich zurück auf die beiden Jahre. Und bin glücklich und dankbar, angefangen zu haben. Wohin das führt? Bestimmt irgendwohin. Es fühlt sich richtig an.

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Vier Wege werden derzeit sichtbar:

Einfach machen

Ich mache (mir) Stoffpuppen, wie sie in meiner Fantasie herum geistern. Ich. Und in meinem Textilstudio. Zu denen ich inspiriert werde, wenn ich meinen Kolleginnen weltweit auf Instagram oder in ihren Tutorials zusehe. In den skandinavischen Ländern, in England, in Osteuropa, überall gibt es Puppenmachertraditionen, Zünfte, ExpertInnen. Fällt unter Kunst und muss nicht diskutiert werden.

Wissen teilen

Ich versammle interessierte Menschen um mich und beginne, mein erlerntes und bis jetzt integriertes Wissen in Kursen weiter zu geben. Damit sich eine Community bildet, die all das Wissen um das Puppenmacherhandwerk ausgräbt – hey, in Kärnten war eine Elli Riehl sowas von genial unterwegs! Es gehört neu definiert und mit heutigen Mitteln und mit Upcycling weiter entwickelt. Je mehr VertreterInnen von Kulturen sich versammeln, quer durch alle Altersstufen, desto besser. Ich bin sowas von gespannt, wohin sich jede einzelne von uns entwickelt. Keine Stoffpuppe derzeit schaut aus wie die andere. Alle sind Unikate, handgemacht und entwickeln ein Eigenleben.

Handwerk erlernen

Bei der Anfertigung einer Puppe brauche ich mein Hirn, das designt und entwickelt und forscht und sich in räumlichem und logischem Denken und Zahlenakrobatik übt. Und meine Hände, die auf sehr vielfältige Art und Weise tätig sind. Zeichnend und entwerfend. Nähend. Strickend. Häkelnd. Stickend. Webend. Filzend. Stoff bedruckend.  Färbepflanzen setzend und hegend. Schaf(e) züchtend. Fotografierend und beschreibend. Ahnt ihr, worauf ich hinaus will? Genau. Vorwiegend weibliches, viel zu selten wertgeschätztes Handwerk. Um eine Stoffpuppe herzustellen, benötige ich und gemeinsam mit anderen Fertigkeiten in all diesen Bereichen. Das Wissen um das weibliche Handwerk verschwindet zunehmend. Dabei ist es ein so schöpferischer Vorgang, aus ein bisschen Wolle und Trikotstoff etwas herzustellen, das uns berührt und bewegt. Nebenbei wird sichtbar, dass sich auch mein Mann im Holz.Raum von meinem Tun angesteckt fühlt. Er baut aus sich heraus Möbel, die perfekt zu diesen Wesen passen. Alles sehr englisch, sehr nordisch. Das hat mit ihm und seiner künstlerischen Entwicklung zu tun. Und mich freut es von Herzen, dass wir Hand in Hand arbeiten und auch unseren künstlerischen Weg gemeinsam weiter gehen.

Der Weg zu mir

Ich kann es euch nur so beschreiben: ich verliebe mich in jedes Wesen, das ich erschaffe. Habe weiche Knie, bin gerührt und berührt, wenn sie mit mir in Verbindung treten und ihre Wünsche über Träume, auftauchende Bilder oder herunter gefallen Schachteln mit Bändern ausdrücken. Unser Neunjähriger sagt, ich rede mit ihnen. Mir fällt nur auf, dass er mit seinen Monstern redet, wenn er sie näht. Das scheint also ganz normal zu sein, dieses Zwiegespräch. Dieser Prozess macht etwas mit mir. Mag sein, dass man das erklären kann. Mag aber auch sein, dass das gar nicht nötig ist. Einfach ausprobieren, hinspüren. Und tief in den kreativen Fluss eintauchen, in dem wir alle schwimmen.

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