Vom Unterwegssein

Nach einem Rundgang durch den morgendlichen Garten, der sich noch unter 30 Grad präsentiert die Entscheidung: wir kaufen keinen Kuchen fürs Fest bei Freunden, wir backen ihn selber. Der Garten geht grad über vor Beeren und Obst. So gut das zu nutzen. Beim Zusammenrühren der Zutaten für Ribiseln, Brombeeren, Pfirsiche und Zwetschken, die darin versinken sollen, geht mir alles mögliche durch den Kopf. Dann schreibt ein Instagramer, dem ich folge, davon, dass im Bus zu leben nicht nur Sonnenuntergang, Gänseblümchen und Spaß bedeutet, sondern dass das Leben einen dabei auch ordentlich fordert. Damit meint er vor allem den Ausbau der Fahrzeuge. Falls es euch interessiert, dann schaut mal unter #instatravel bzw. #vanlife, was sich da so alles tut.

In mir war immer schon der Drang, unterwegs zu sein. Aufgewachsen in der Schattenseite unseres Hausberges in Spittal an der Drau in Kärnten war es mir zu eng, zu überschaubar und fühlte ich mich generell fehl am Platz. Als zugereiste Familie aus Klagenfurt hatten wir wenig Chancen, in die Gesellschaft aufgenommen zu werden. Ich fühlte mich nicht zu Hause. Eine Lungenentzündung brachte seinerzeit die erste Reise ans Mittelmeer. Und die überraschende Erfahrung: ich kann frei atmen, habe Platz zum Schauen, keine Berge, die die Sicht einschränkten. Das Meer, der Ozean, das Sein am Rande des Meeres, das gehört seither zu den lebensspendenden Momenten in meinem Leben. Meine Eltern waren voll eingeteilt mit ihrer beruflichen Arbeit. Mehrwöchiger Urlaub im Süden mit Wegfahren war wohl auch mit Hunden und drei Kindern kaum drin. Und ich glaube gar nicht besonders erwünscht. Abgesehen von der Notwendigkeit, für die Klienten da zu sein.

Vor drei Jahren – Romana, ich fasse es nicht, wie schnell die Zeit verfliegt – in Canada führten wir lange Gespräche übers Auswandern, Umziehen, Reisen, Unterwegssein. Und immer mehr wird mir seither klar, ich will möglicherweise gar nicht an einen bestimmten Punkt auf diesem Planeten ziehen, um glücklich zu sein. Sondern ich mag unterwegs sein. Ja, da höre ich sie wieder, meine fundamentalistischen Freundinnen und Freunde aus der Öko-Ecke, in der ich mich ja auch eingerichtet hab. Wer fliegt, hat überhaupt nichts kapiert. Auto ist natürlich auch bäh, der weniger treibstoffintensive Diesel auf langen Strecken ist mittlerweile ganz besonders pfui. Da ich nie gelernt habe, mit dem Pferd unterwegs zu sein, werde ich weiterhin mit dem Fahrzeug unterwegs sein. Denn wisst ihr was? Ich bin glücklich, wenn ich unterwegs bin. Bei mir ist der Weg das Ziel, auch wenn das keiner versteht – ich bin so gemacht. Und ich brauche mein Klimbim wie Kamera, Schreibzeug, Strick- und Nähzeug. Genieße es, meine kostbaren Rosentassen auch auf den dreckigsten Stationen zu nutzen, mein Besteck dabei zu haben, mein Bettzeug und meine Kleidung. Ich gehe unterwegs gerne zu Fuß und schlafe dann umso lieber im Fahrzeug, ganz besonders, wenn es regnet. Unperfekt. Das bin ich.

Manchmal denke ich, vielleicht sind wir Menschen gar nicht dazu geboren, sesshaft zu sein. Nein. Stop. Falsch. ICH bin nicht dazu geboren. In mir ist eine Zigeunerin, eine Nomadin, eine Reisende. Die neue Eindrücke und andere Kulturen braucht wie manche ihr gut gefülltes Bankkonto. Ich liebe es nicht, mich fremd zu fühlen. Und – es tut mir so gut, mich fremd zu fühlen. Über meinen Schatten zu springen. Es ist ein Erfolgserlebnis, Ängste zu überwinden und out of the box, vielleicht auch noch in einer fremden Sprache, um Hilfe zu bitten. Heuer waren es die schottischen midges, die das so klar aufzeigten. Wir baten nach einer Horrornacht auf einem Campingplatz tief in Schottland in einem Auto voll mit fliegenden Monstern, die das sonst so wirksame Moskitonetz unserer Autofenster locker passiert hatten, um Hilfe. Die midges verzogen sich im morgendlichen Tageslicht hinter die Verkleidung des Autos und verdauten glückselig unsere Proteine, die sie nächtens stundenlang aus unserer Haut gesäbelt hatten. In einem winzig kleinen Lebensmittelladen an der Küste am Weg zur Isle of Skye wartete Hilfe. Eine ältere Dame bedauerte uns und pries gute Mittel für die Haut und einen wirksamen Vernebelungsspray fürs Auto an. Ja, die zugegebenermaßen hohe Investition lohne sich, die zwei Dinge seien derzeit das Beste am Markt. Englisch in Schottland verstehe ich nur, wenn ich ganz entspannt zuhöre. Verstehen am besten ausschalten. In einem magischen Prozess ergibt sich aus Sprachmelodie und Worten und offen bleiben ein Sinn. So auch bei dieser Frau. Die Chemokeule wirkte im hermetisch abgeschlossenen Auto, trotz Skepsis. Wir bekamen noch andere wertvolle Tipps, weil wir jene fragten, die dort wohnen. Parkt am Meer im Wind – sie vertragen keinen Wind, der wirbelt sie davon. Schmiert euch ein – ja, das ist ein gutes Mittel, das ihr da gekauft habt. Und seid froh, dass die Pferdebremsen noch nicht da sind. Haha. Waren wir. Und dankbar für die schönen Gespräche, das Gelächter und Gerate, was gemeint sein könnte. Unbezahlbar und voll das Leben. Übrigens auch dankbar für den Hinweis auf eine App, die die Plage in Schottland in Prozenten benannte und Einfluss auf unsere Reiseroute nahm.

Ich persönlich kann mir vorstellen, noch mehr Zeit unterwegs zu verbringen. Auch arbeitend. Unser PKW derzeit ist praktisch und funktionell für Auszeiten, spielt sogar ein paar technische Stückerln für all die Ladenotwendigkeiten unserer Geräte. Ich träume trotzdem von einem selbst ausgebauten Bus, Marke egal, Hauptsache fahrsicher und treibstoffarm. Mit Büro und Kochmöglichkeit und minimalem Sanitärbedarf für unterwegs. Das Umbauen selbst finde ich spannend. Und das Unterwegssein sowieso. Das Irgendwo-Bleiben, mit den Menschen in Kontakt kommen, wie es heuer so viel öfter der Fall war. So schade, dass Campingplätze so teuer geworden sind. Mit dem Bus könnten wir nicht mehr unsichtbar irgendwo übernachten. Und andererseits bin ich entsetzt, wie viel Müll die Menschen aus dem Fenster schmeißen oder auf Parkplätzen liegenlassen, wenn sie unterwegs sind. Und das ist ganz sicher nicht nur Urlaubsmüll. Ich kann verstehen, dass all das Hinterherräumen eine Gesellschaft überfordert und sie deshalb Tourismusmaßnahmen ergreift, die das Müllproblem in den Griff kriegt.

Wir sind erst kurz wieder da, körperlich. Meine Seele ist noch in England, in Schottland und in Wales. Und von mir aus könnten wir schon wieder packen und weiter fahren. Derzeit machen wir Kurzausflüge im Urlaubsland Kärnten mit unserem jüngsten Familienmitglied. Dabei kommen wir langsam wieder an. Und stellen uns dem Sesshaftsein. Der wild wuchernde Garten unterstützt uns dabei sehr.

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