Während ich an meinen Elfenwesen stichle, Taschen nähe oder mich sonstwie künstlerisch ausdrücke, tobt in den sozialen Medien ein Krieg zwischen den Menschen, weil sexuelle Übergriffe und sogar Missbrauch an Frauen ein öffentliches Thema wird, das in der Mitte unserer Gesellschaft ankommt. Er beschäftigt mich, auch wenn ich mich selten dazu äußere. Als eine enge Freundin es wagte, unter #metoo via facebook an die Öffentlichkeit zu gehen, traute ich mich nicht, es ihr gleich zu tun. Ich brauchte ein paar Nächte des Nachspürens und Nachfühlens, ob ich diesen Schritt für mich gehen wolle. Es war meine Frauensolidarität, die mich schließlich herzklopfend dazu bewog.
Der befürchtete shitstorm blieb aus. Zu Beginn. Ich brauche hier nicht darüber schreiben, was nun los ist. Ich bin wirklich erschüttert. Abgesehen davon, dass offensichtlich noch immer vorhandene Reste meiner eigenen Traumen sich ein weiteres Mal erheben, erschreckt mich die Wut und die Arroganz und die Würdelosigkeit in den Kommentaren, mit der sich jene Frauen konfrontiert sehen, die mit Details an die Öffentlichkeit gehen. Von Männern. Und von Frauen. Ja, es wird polarisiert und verallgemeinert. Ja, einige Frauen schießen übers Ziel hinaus. Das hat es so auf sich mit lange unterdrückten Emotionen.
Ich war selber viele Jahre in der Opferrolle gefangen. Viel zu lange. Als sehr angepasstes, braves Mädchen und später als junge Frau stellte ich kaum Regeln in Frage. Das ist meine Verantwortung. Und ich habe Antworten auf meine Fragen gefunden, als ich mich auf die Suche nach mir selbst machte. Ich hatte das große, das riesige Glück, dass mein „Hinausgehen“ mit dem Missbrauchsthema in anonymen Gruppen in Deutschland geschah. Ich wurde liebevollst behandelt, in den Arm genommen, Frauen und Männer weinten mit mir und ich konnte tiefe Traumen still und leise aufarbeiten. Meine Opferhaltung durfte ich selber als nicht mehr passendes und unbrauchbares Muster erkennen. Und es in meinem Tempo bearbeiten. Kein einziges Mal schlug mir solche Häme, solche Demontierung meines Seins entgegen, wie es nun geschieht.
Der Wunsch, in sozialen Medien Gehör zu finden ist meiner Meinung nach der steinigste Weg, den jemand wählen kann, der sich mit seiner Missbrauchsvergangenheit auseinander setzt. Hut ab vor jenen Frauen und Männern, die ihn gehen. Ich gehöre nicht dazu.