Heute hat die Regenbogenprinzessin das Atelier verlassen. Und wie so oft bin ich ein bisschen traurig und vermisse ihren Anblick und ihre Ausstrahlung. Wenn mich meine Wesen zum ersten Mal räumlich verlassen, fehlen sie mir eine Weile körperlich. Dass Madame sichtbar sein will, ist schon im Frühling dieses schrägen Jahres 2020 klar. Ein Wesen drängt darauf, aus diesem mittelbraunen Woll-Filz gemacht zu werden, der mir zufällt. Kein Plastikindustriefilz, wirklicher, echter, richtiger Filz aus Schafwolle! Und es drängt ganz klar darauf, ein kleines Stückchen erwachsener zu sein als die meisten ihrer Vorgänger*innen. Also keine niedlichen runden Bäckchen sondern definierte Wangen. Eine besondere Nase. Volle Lippen. Und in einer Technik, die ich vor allem bei textilen Künstler*innen aus dem englischen Kulturraum bestaune und bewundere. Und die ich unbedingt ausprobieren will.

Der Kopf gefällt mir. Die Augen sind sehr besonders, die Lippen sinnlich. Sie bekommt eine tolle Nase. Körper und Arme entstehen. Beine. Und trotzdem heißt es für das Wesen, einige Monate zu warten. Der Instagram #regenbogenkal2020 ist der perfekte Zeitpunkt, das dunkelhäutige Wesen wieder aus dem Korb der unerledigten Geschöpfe heraus zu holen. Und es einzustricken. Mit Regenbögen, Liebe zu Detail. Glitzer und Gloria. Von den Haarspitzen bis zu den Zehen. Es ist ein absoluter Zufall, dass zwei textile „people of colour“ auf meinem Arbeitstisch liegen, als George Floyd in den Staaten so schrecklich zu Tode kommt. Und mit seinem Sterben diese Bewegung lostritt, auf die ich gefühlt ein Leben lang warte. Ich habe heute nachgerechnet. Es ist für mich 38 Jahre her, dass wir in der Schule hitzige, tränenreiche und wütende Debatten über das Apartheitsregime in Südafrika, über Menschenrechtsverletzungen überall auf diesem Planeten führten. Uns mit Martin Luther King und der first nation und der Sklaverei in Amerika beschäftigten. Voller Scham und Wut waren über das, was Menschen angetan wird, nur weil ihr Haut dunkler pigmentiert ist als die Haut weißer Menschen. Was ist nur los mit uns Menschen, dass wir so extrem langsam lernen, dass wir als Menschheit und mit allem, was auf diesem Planeten kreucht und fleucht, engstens verbunden sind? Dass es eben nicht egal ist, wie und unter welchen Umständen für mich produziert wird, wenn dabei meine Schwestern und Brüder und dieser Planet, der unsere Grundlage bildet, ausgebeutet werden? Dass immer noch viel zu viele Menschen Hungers sterben, weil es hinten und vorne nicht reicht mit dem bisschen Geld? Unter so prekären Umständen und mit so viel Ablehnung von einer Mehrheitsbevölkerung, von der auch wir weißen Frauen nur den Hauch einer Ahnung haben?

Und so geht Amanda R. Bowy im Juni, dem Monat des Regenbogens und der Queer-Community, nicht nur als Botschafterin für die grenzenlose Liebe zwischen allen Menschen hinaus in die Welt. Sondern sie passt wie ein fuzzikleines Zahnrädchen in die globale #blacklivesmatter Bewegung, die unseren Planeten rasend schnell umrundet. Und hoffentlich dieses Mal viele Menschen erreicht und berührt und nachhaltig in ihnen Veränderung bewirkt. Die heutige Demo in Klagenfurt gegen Polizeigewalt und Rassimus ist von jungen Menschen auf die Beine gestellt worden. Als junge Menschen sich auf den Boden werfen, die Hände am Rücken, und „I can’t breath“ skandieren, erfasst mich eine solche Welle von Traurigkeit, dass mir die Tränen herunter rinnen. Meinem Mann geht es ebenso. Ich kann mich den Demo-Chören nicht anschließen. Mir bleibt die Stimme weg. Diese Traurigkeit, die Ungerechtigkeit, die Erschöpfung – ich kann sie spüren. Ich baue so sehr darauf, dass die jungen Menschen von heute am Weg ins Erwachsenwerden, in die Arbeits- und Wirtschaftswelt nicht vergessen, wofür sie in Wien vorgestern und heute in Klagenfurt durch die Straßen gezogen sind. In Klagenfurt, wo meistens mehr Ordner bei Demos sind als Teilnehmer! Danke Klagenfurt! Danke ihr Menschen, die ihr euch gezeigt habt! Ihr entscheidet nun, wie es weiter geht. Ihr jungen Leute seid der Pfeil, der von unseren Bögen fliegt. Ganz frei nach Khalil Gibran. Wir werden da sein, wenn ihr unsere Unterstützung braucht.

Amanda R. Bowy spricht für mich, wenn du sie im Kunst&Werk in St. Veit an der Glan besuchst. Ich bin seit heute mit meinen Wesen und ihren Geschichten Partnerin unserer ehemaligen Kolleg*innen vor Ort. Im Grunde haben wir nur den Status geändert und bleiben mit den feinen Menschen dort verbunden. Ich werde immer wieder eine meiner textilen Skulpturen mit einer Botschaft ins Geschäft setzen. Und wenn es wieder leicht möglich ist auf Möglichkeiten hinweisen, mit mir das Herstellen textiler Wesen gemeinsam zu machen. Danke Angela und Ingrid und Sultan für die heutige feine Zeit mit euch. Und danke Amanda, dass du dich heute so kurz vor deiner ersten Reise noch fotografieren hast lassen. Das hätte wir bei dieser neuen Normalität nach der Quarantäne nämlich beinahe vergessen. Die Tigerbabies lieben dich genau so sehr wie ich. let your light shine. Und ich blättere noch ein wenig im Instagram Account und lasse die Zeit mir dir im Herzen vorüber ziehen…
Ein Eintrag zu „Amanda R. Bowy und der Wandel“