learning by doing

Langsam finde ich zurück in meine Welt des Handwerks. Unser Jüngster entschleunigt unser Leben mit einer Sommergrippe. Wir wären sonst sicher unterwegs, von einem See zum nächsten. Die derzeitigen Hitzespitzen in meiner kühlen Werkstatt zu verbringen ist auch nicht die schlechteste Idee. Also filze ich wieder vor mich hin.

Geholfen haben mir sicher meine Freundinnen in unserer offenen Puppenmacherpraxisgruppe. Wir tauschen uns aus, ich erfahre viel Neues aus der Praxis jeder Einzelnen. Sommer auf der Terasse, was für ein Genuss. Zwei Kinder plantschen und quietschen im Pool, eine Teenie modelliert interessiert mit und bekommt ein paar Handgriffe gezeigt. Wir geben einander unser Teilwissen weiter, logisch. Hemma war im Sommer bei einem Gathering von Profis in Holland und zeigt und erzählt von Handgriffen, Ticks und Tipps. Ich lechze danach, in so ein Feld einzutauchen, mich mit anderen Frauen anderer Kulturen auszutauschen – und ja, auch heuer waren es Frauen, die lehrten.

 

Es ist eine Sache, sich durch die vielen Tutorials zu arbeiten, die Fotos zu bestaunen, Bücher zu lesen. Davon bekomme ich jedes Mal massives, belebendes Herzklopfen. Und es ist eine ganz andere Sache, das Material in die Hand zu nehmen und anzufangen. Und dann wieder Rat suchend über den Tutorials zu hocken, zwanzig Mal die Pausetaste zu drücken, um den so einfach aussehenden Handgriff zu lernen. Und nein, das ist nicht immer lustig, manchmal tut ein Wutspaziergang durch den Garten gut.

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Vorgestern ging mir ein weiterer Knopf beim Modellieren mit Filz auf. Oft genug sind es kleine und größere Fehler, die zumindest bei mir großes Erschrecken auslösen. Ma, das ging doch schon so gut, warum passiert das jetzt, das wird nix mit diesem Kopf, die ganze Puppe wird nix werden. Und so weiter und so fort. Um dann mit ein wenig Abstand draufzukommen – ja hey, da ist ja ein ganz neuer Gesichtszug entstanden! Wenn die Augenlinie auf diese Art und Weise „falsch“ verläuft, dass der Gesichtsausdruck eben nicht mehr neutral sondern eindeutiger wird, dann ist das ein Lernen. Wenn das Kinn zu weit hinten angesetzt wurde, fliehend wird, dann macht auch das was mit dem ganzen Kopf.  Und so ist das mit den Augen, der Stirn, der Nase, dem Mund, den Augen, mit den Proportionen insgesamt. Ich schaue mir zur Zeit sehr genau Profile und Gesichtszüge von Menschen an. Wie unterschiedlich wir doch sind! Kein Gesicht ist wie das andere, da ist eine ganz eigene Harmonie oder auch Disharmonie in den Formen, Linien und Strukturen, die sich im restlichen Körper fortsetzt. Ganz abgesehen davon, dass kindliche Proportionen ganz anders sind als die Erwachsener – und auch da gibt es keine fixen Dinge. Äußerst interessant.

Das Machen und Gestalten von Puppen ist eine Tradition, die in Österreich kaum (noch) gelebt wird. In den Kindergärten und Schulen nach Rudolf Steiner gibt es ausgezeichnete Expertinnen. Online folge ich einigen, die mit diesem Basiswissen weiter arbeiten und Puppen nach Waldorfart machen. Und praktisch freue ich mich im Herbst auf eine Zusammenarbeit mit einer dieser Lehrerinnen. Doch die Palette ist viel, viel breiter. Und das zu erforschen wird mich vermutlich die nächsten Jahre beschäftigen. Drahtgestelle mit anmodellierten Filzwesen spuken schon geraume Zeit in meinem Kopf herum. Fix am Plan ist dieses Jahr im Herbst ein Projekt mit Handpuppen und Kindern und Schreibwerkstatt, auf das ich mich persönlich sehr freue, weil ich nicht genau abschätzen kann, wohin dieser Weg führt. Und ebenso werden wir mit Erwachsenen beginnen, sehr einfache Wesen in Workshops selbst herzustellen. Basiswissen plus Eigenes. Plus Upcycling. Plus Begeisterung beim Tun. Mensch kommt sich selbst beim Herstellen eines menschenähnlichen Wesens sehr nahe – bei jeder Puppe ein bisschen mehr.

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