Alte Türen für neue Eingänge

Eine liebe Bekannte hat vor ein paar Tagen darüber geschrieben, dass sich manche Türen im Leben schließen, damit sich andere öffnen. Und was für ein Glücksfall das manchmal ist. Auch wir haben heuer leichten Herzens eine Tür geschlossen, als wir auf unsere Sommer-Teilzeit-Hippie-Reise verzichten. Es passt einfach so gut in unser Leben, zu bauen und den Sommer hier vor Ort zu genießen. Kein Stundenplan, wenig berufliche Termine, Urlaub in Kärnten. Wir werden dafür seit Wochen vom Leben beschenkt. Sami ist megakreativ und tobt sich in vielen Richtungen aus. Wir bauen und schleifen und schrauben und tüfteln und malen. Heute beim Schleifen, Grundieren und Lackieren der zukünftigen Studiotüre wird mir erst bewusst, wie sehr dieses Bild der Türen zu meinem Leben passt. Wir hatten ja eine Tür in Aussicht, eine schöne aus Holz. Doppelt isolierverglast, geschenkt und sie sollte sogar bis zur anderen Haustür gebracht werden. Ein bisschen groß vielleicht für mein zartes Gartenstudio, aber auf jeden Fall dicht und kälte- und windabweisend. Und eine weitere Lichtquelle aus Nordwesten. Doch oft kommt es im Leben anders als mensch denkt. Ich grummle ein bisschen vor mich hin. Dann tue ich das, was ich meistens tue, wenn ich etwas nicht lösen kann – ich rede darüber, frage nach, ob wer was oder wen weiß.

In dieser speziellen Situation meldet sich meine Schwester Angelika aus dem oberösterreichischen Mühlviertel. Auch sie ist heuer mitten in einer Riesenbaustelle. Sie baut für eine Freundin aus, die das schöne alte Haus mit ihr teilen wird. Und tja, eine sehr, sehr alte Scheunentür mit Stock vom Schafstall bleibt übrig. Zufällig ziemlich genau die Maße, die ich suche. Zufällig will sie sie auf keinen Fall wegschmeißen. Und zufällig ist sie eine Woche später am Weg nach Kärnten und bringt mir das edle, alte Teil dieses Wochenende mit.

Diese Fahrt mit dem gewaltig schweren Teil in unserem Auto wird mir mein restliches Leben mahnend in Erinnerung bleiben. Ich muss mein ausgetüfteltes, gebundenes Vorhangsystem mit all seinen Raffinessen vollkommen abbauen, um die Türe halbwegs ins Auto zu bekommen. Alles geht gut, trotz Ächzen, Scheuern und herabrieselnder Schafstallreste. Und hart an den großzügig in diesem Auto verteilten Seitenairbags entlang. Nie wieder transportiere ich auf diese Weise einen Türstock mit Türe. Dieses Auto könnte Geschichten erzählen…

Als wir den noch unbehandelten Türstock in die Türöffnung stellen wissen wir – das ist es einfach. Diese Tür passt wie angegossen zu diesem Studio. Fast tut es uns leid, dass wir doch einiges der Patina abbürsten und übermalen werden, das verwitterte graue Holz ist wunderschön. Aber staubtrocken und nicht winterdicht. Also Upcycling as usual. Das kleine Fenster werden wir durch ein Isolierglasfenster ersetzen – yeah, Licht! Innen wird die Tür mit Isoliermaterial gedämmt und bekommt eine zweite Platte. Ich grundiere heute den ganzen Tag den Türstock und die Außenseite der Haustüre. Als dritten Anstrich bekommt das edle Stück einen englischen Anstrick mit einer Farbe, die abgelaufen nach Topfen riecht, aber noch immer ausgesprochen gut deckt. Das kennen wir schon, riecht ein paar Wochen arg streng und verflüchtigt sich irgendwann. Alexander baut in der Zwischenzeit am Rahmen des riesigen Westfensters, das immer mehr wie eines dieser schönen englischen Schaufenster aussieht. Und mir fallen die tollen Kreideglaszeichnungen ein, die wir im Vorjahr im Geschäften im Lake District am Weg nach Schottland an den Auslagenfenstern gesehen haben. In und um diesen Raum werde ich mich nicht nur textil sondern auch zeichnend und malend austoben.

Habe ich übrigens erzählt, dass wir bei einem Baufachmarkt grade noch lebende Pflanzen aus einem Container gerettet haben? So ein Glücksfall! Nun bin ich endlich stolze Betreuerin einer leicht ramponierten Cosmea, die mich mit meinem verstorbenen Vater verbindet, und die mir heuer sowas von abging. Einer traumhaft schönen nur schon verblühten Hortensie, die nach der Außenfertigstellung beim Stiegenaufgang zum Studio einen Schattenplatz bekommt. Einer riesigen Eisenhutpflanze, die seit ihrem Rückschnitt zwar mit den Schnecken kämpft (die mit Haus), aber wieder austreibt. Und diversen Iris- und Liliengewächsen, an die ich im Container hängend noch rangekommen bin. Ich sage Danke Leben. Und Leute, gebt einfach Bescheid, wenn ihr solche tollen Lebewesen los werden wollt, ein Hinweisschild genügt. Wir kommen gerne und bringen auch noch jede Menge Helfer mit und schenken euren verwelkenden Pflanzenwesen bunte, wilde und üppige Gärten, in denen sie sich erholen können. Insekten und alle möglichen anderen Lebewesen und vor allem wir freuen uns über neue ZwanderInnen!

OTELO und Nähen

Monika ist eine dieser Frauen, deren Lebenswege sich regelmäßig mit meinen kreuzen. Ob beim Talentetauschkreis Kärnten, bei meinem jährlichen Fixtermin des Weihnachtsbazars in der Klagenfurter Waldorfschule, bei meiner Freundin von Best of the Rest oder unerwartet und plötzlich: wir sehen uns, wissen sofort tausend Dinge zu besprechen, weil unsere Ausrichtung eine sehr ähnliche ist.

Gestern war es endlich soweit. Wir besuchten Monika und das OTELO in Ferlach. Das ehemalige Apothekerhaus in dieser Kleinstadt am Fuße des Loiblpasses ist hell, hat hohe Altbauräume, bietet Platz für Werk- und Begegnungsräume, eine schöne Küche. Auf der Nordseite des Hauses ist ein gar nicht so kleiner Garten mit vielen Sitzgelegenheiten, einer Brückenbühne, einem kleinen Wasserspiel. Heuer hilft ein Mitglied der Freunde natürlichen Lebens mit, die Kräuter zu katalogisieren, anzubauen, zu verwenden. Zweisprachige Namensschilder (Deutsch/Slowenisch) an Birkenzweigen lassen auf eine rege Jahrestätigkeit in diesen Außenräumen schließen. Die Verwaltung und Leitung von OTELO Ferlach sitzt im zweiten Stock. Monika und ihr Team sorgen für eine Belebung und Belegung der wunderschönen Räume. Da wird getanzt, meditiert, fotografiert, gekocht, genäht, designt, gesungen und es gibt auch Vorträge. Wenn ich es richtig verstanden habe, gibt es die Struktur eines Jahresthemas und viele Kleinprojekte.

Staunend schaue ich mir die professionell genähten Upcycling-Werkstücke aus der Nähabteilung an. Monika erzählt mir, dass mittlerweile vor Ort vor allem geplant und entwickelt, vor großen Ausstellungen und projektbezogen auch gemeinsam genäht und zugeschnitten wird. Dazu nutzen die Menschen mit interkulturellem Background den Raum mit gut sortiertem Lager und den vielen Nähmaschinen sowie den großzügigen Begegnungsraum davor, in dem sie lange Tischreihen aufbauen können. Eigentlich perfekt das, was unsere Studentinnen und Studenten für den Umbau der Kegelbahn geplant haben. Dort soll ja in der Mitte eine lange Tischreihe mit Schienensystem an jenem Podest sein, das vorher die Kegelbahnen voneinander trennte.

Dreieinhalb Stunden lang reden, schauen, fotografieren und filmen wir, was es zu sehen gibt. Die OTELO-Struktur hat mir immer gut gefallen. Nach OTELO-Spittal ist das jetzt das zweite lebendige Labor, das ich unmittelbar erlebe. Wir denken zumindest darüber nach, diese Struktur auch für Klagenfurt mitzudenken. Dort gibt es ebenfalls Interesse, doch kam bisher kein praktisches Projekt zustande. Wir werden sehen, wir wissen ja, an wen wir uns wenden müssen, falls es in diese Richtung geht.

Es sieht außerdem so aus, als käme es zu einer Zusammenarbeit bezüglich meines Puppenprojektes über eine gemeinsame Bekannte, die ich vor vielen Jahren einmal für die Zeitung interviewt habe. Sie nähte im Vorjahr mit afghanischen Frauen einfache Waldorfpuppen  für einen Weihnachtsbazar in Ferlach, ganz genau, ganz sauber und perfekt. Wir werden sie heuer im August gemeinsam treffen und weiter planen. Da ich mir alle Handgriffe der Puppenherstellung selber beibringe und in unserer Praxisgruppe vertiefe und neu erarbeite, freue ich mich riesig darauf, einen Profi zu erleben und von ihr Kniffs und Tricks zu erlernen, die für mich neu sind.

Nach all dem für mich so komplizierten Antragschreiben rückt nun MEIN Herzensprojekt wieder in meinen Fokus. Das übliche Herzklopfen setzt sofort ein…

Wir reden noch über die Möglichkeit eines Fotoprojektes vor Ort und genießen das selbstgemachte Eis des Nachbarkaffeehauses. Ich vergesse ganz darauf, Monika von unserer interkulturellen Fotogruppe zu erzählen, die ich in so ein Projekt einbinden kann.

Auf der Heimfahrt bleiben wir noch bei einer Brandruine an einem Kreisverkehr in Kirschentheuer stehen. Die Hitze des sicher fürchterlichen Brandes hat aus den Luxusjachten, dem vielen Blech, den Holzträgern und den Solarpaneelen wunderbare Skulpturen in Blau und Bronze und Gold geschmiedet. Unsere anfängliche Scheu, so einen Ort des Schreckens zu fotografieren, verschwindet im Tun sofort. Sami bleibt gerne im Auto sitzen, ihm ist der Ort zu unheimlich.

Genießt eure Fenstertage oder euren Arbeitstag, ich hole jetzt geschenkte Kübel für unseren Kübelgarten in Klagenfurt und freu mich am Abend auf Giaconda Beli, die in Klagenfurt gastiert.