Nähte und Wände

Dritter Durchgang unsere Probemoduls fürs Nähen im Rahmen eines Nähmaschinenführerscheins. Bis jetzt durfte die Naht auch mal krumm und schief sein. Seit heute wird genau genäht. Das tolle Metalllineal eingesetzt, eine Naht vorgezeichnet. Und jeder von uns trennt ein bisschen. Auch ich. Heute wird nicht nur gelacht. Das Heften verweigert, weil zu viel Arbeit. Das Heften geliebt weil danach Naht ohne Trennen. Lernen. Lernen. Lernen. Lebenslang. Maxi sagt, heute sei die Stimmung ein bisschen anders als sonst. Ja, genau. Wir arbeiten genau. Bei dieser Arbeit ist Genauigkeit genauso kostbar und wichtig wie das schöne Material. Das sonst nicht ausreichend zur Geltung kommt.

Die Decken werden so wunderschön, ihr könnt euch das gar nicht vorstellen. Vielleicht werden es doch eher Tagesdecken als Picknickdecken, bis jetzt hat sich mit der wasserabweisenden Folie, die wir mit unseren Haushaltsnähmaschinen annähen könnten, noch nichts ergeben. Die Stoffquadrate exquisitester Herkunft haben aneinandergenäht schon jetzt eine ansehnliche Dicke erreicht. Viel mehr geht da nicht mehr. Heute entstanden zwei neue Bahnen in Rot-Beige-Zartgrün-Tönen. Und wir haben alle Vokabeln vom ersten Durchgang wiederholt. Oh das war ein Hallo! Wieviel wir schon aufgeschrieben haben, wieviel uns jetzt schon vertrauter ist. Grüße an Franziska in Wien, wir hoffen alle, du bist beim Abschluss nächste Woche wieder bei uns!

Nach einer flotten Billa-Jausen-Pause gehts ab zur Baustelle. In drei Wochen wollen wir hier feiern und unsere Ideen herzeigen. Zwischendurch zweifeln wir, ob wir groß feiern wollen. Oder nur ganz klein mit den Nachbarn. Jedenfalls werden die Wände immer heller, obwohl die Farbe keine Chance hat, die Flecken zu verdecken, irgendwas Öliges ist am Putz, da wartet noch viel Arbeit auf uns. Alexander malt. Und hat die glorreiche Idee, Gordana’s Vorschlag des „Willkommens“ in vielen Sprachen und natürlich vor allem fürs Fest in einem Wortband an die Wand zu pinseln. Und weil wir von einer Minute auf die andere plötzlich zu sechst sind, wird diese Idee sofort in die Tat umgesetzt. Danke übrigens Sissy, für die gebrauchte Couch, die in unseren Räumen sehr geehrt werden wird. Danke für die Küche, die uns angeboten wurde. Die Großzügigkeit der Menschen geht weiter.

Eva und ich ziehen uns zu einer höchst notwendigen intensiven Besprechung der Schritte der nächsten Wochen zum Nachbarn ins „Fassl“ zurück. Und kommen gerade zurecht, als die Jungs mit dem Schreiben an der Wand fertig sind. Danke ihr Lieben,  die ersten beiden Räume werden immer freundlicher! Baustellenflair, aber ein freundliches, sehr lebendiges.

Gestern war endlich wieder eine Puppe dran. Jetzt hab ich wirklich schon Entzugserscheinungen. Der Körper sieht gut aus, ist fertig. Aber, der Kopf. Omei. Dieser Kopf wird zu einer anderen Puppe passen , er ist sehr kräftig und ausdrucksstark geworden durch viele Versuche, andere Proportionen und ein neues Profil zu filzen. Ich würde sagen: für diesen Körper so richtig daneben gegangen. Genau. Lebenslanges Lernen. Und die Erkenntnis: nutze im kommenden Winter die Stunden besser, im Sommer kannst du dir deine Lieblingsarbeiten für eine Weile abschminken.

 

 

Phönix und DIY

„Lisa, das bin ich am Samstag!“ Sagt er. Legt mir ein vorn und hinten dicht mit Gelbrot bemaltes Blatt hin und will wieder gehen. Wie jetzt. Was bitteschön ist das? „Na, mein Kostüm. Für meinen Geburtstag!“. Ein bissel entsetzt ist er schon, der beinah Achtjährige. Ich werde doch wohl wissen… Samstag! In eineinhalb Wochen! Ich spür Widerstand. So viel zu tun, so viel vorzubereiten und noch durchzusortieren für anstehende Nähprojekte…

Alle Gesichtslinien bewegen sich nach unten. Die Augen schimmern. Na gut, ich kann es mir ja wenigstens anschauen. Seufzend nehme ich das Blatt in die Hand. Schaue genauer. Eigentlich auf den ersten Blick sonnenklar, worum es hier geht. Ein Kostüm, das dicht an dicht mit gelben, orangen und roten Schuppen bedeckt ist. Ein Schnabel. Oder so. Eine Krone. Himmel, wie soll das gehen? Ich staune über die Genauigkeit der Details. Ansichten von vorne, von der Seite, von unten. Ganz klare Angaben eigentlich.

Wir kommen ins Gespräch. Ich schinde Zeit. Ganz bestimmt habe ich keinen Stoff. Na, ich doch nicht. Nicht jede Lade ist voll mit Möbelstoffen. Na gut. Ich will aber nicht jede Schuppe einzeln versäubern müssen. Also muss es Filz sein. Den brauche ich eigentlich für die heurigen Hühner. Wenn ich überhaupt  Zeit finde. Wie gesagt, Nähprojekte…

Na gut, ich könnte ja mein Filzlager ein bisschen erleichtern. Und da war ein Hemd im Kostnixladen am Samstag, das mich nur vom Material her interessierte, mehroderwenigerdurchfallbraun, das wäre eigentlich die ideale Unterlage für das Kostüm in den warmen Farben.

Sami schlüpft in das große Hemd. Ein schon angeschnittener Ärmel hängt wie ein Flügel herab. Unten aufgeschnitten und geöffnet wäre das eine mögliche Schwinge. Wir schnipseln. Sami will sich jetzt verkrümeln. Da hat er allerdings die Rechnung ohne die Wirtin gemacht. Noch immer beeindruckt vom Vierjährigen meiner Freundin, der am Wochenende unerschrocken mit der scharfen Schneiderschere hantierte, machen wir einen Deal: er schneidet, ich stecke und nähe. Und – noch eine Vorgabe von mir: er schneidet genau. Wird ja schließlich sein Kostüm, nicht meines.

Zwei Stunden später haben wir vier Reihen geschafft. Alle Finger sind noch da. Sogar alle Stecknadeln sind wieder im Kisterl, nachdem ich Schussel sie vom Tisch gewischt habe. Es brauchte nur wenige Hinweise auf die nötige Genauigkeit. Nebenbei witzeln wir, wie das jetzt im Fernsehen bei Art Attack abgelaufen wäre: „Und hier seht ihr Sami. Er hat gestern schon die Schuppen vorbereitet, damit er das heute nicht mehr machen muss.“ Unser Jüngster lacht so, dass er fast vom Sessel fällt. Die Fernsehsendung geht noch eine Weile weiter. Willkommen in der Realität!

6

Ich bin heute schlicht und ergreifend berührt und glücklich. Hier wächst von uns vollkommen unbemerkt ein kleiner Designer heran. Merkt euch meine Worte.

Und nein, wir sind noch nicht fertig. Aber bis Samstag nächste Woche werden wir das schon hinbekommen 😀